Bildbeschreibung
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Foto: Bob Leinders

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H A M B U R G,  N O V E M B E R  2 0 1 4

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So gesehen, ergibt alles einen Sinn.

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Seit 2009 mache ich mit der Kunst weiter. Und erst jetzt lassen die ganzen Einzelarbeiten ein Ziel, eine Entwicklung erkennen. Nachdem von den Arbeiten bis 1992 wenig übrig geblieben war – viele Arbeiten waren einmalige Installationen, die schlichtweg auf dem Müll gelandet sind  – habe ich 2009 vor allem das Ziel gehabt, möglichst schnell, möglichst viele Bilder zu produzieren. Doch der Zeitraum zwischen 1992 und 2009 war zunächst so groß, dass mir die Fähigkeit, der freien Auseinandersetzung mit mir selbst – und genau das ist ja das Wesen der Kunst – abhanden gekommen war.

Zu Beginn habe ich mir sehr mühsam eine eigene Sprache erarbeiten müssen. Mein malerisches Vokabular aus den späten 80ern und den beginnenden 90ern hatte an Relevanz und damit an Verständnis verloren. Ich habe 1 Jahr lang Abend für Abend vor einem weißen Blatt gesessen und gewartet, was passiert. Am Ende blieb das weiße Blatt leer. Es war zu klein und ich habe es gegen eine Leinwand in den Maßen 140 cm x 100 cm getauscht. Als mir die auch zu klein schien, habe ich einfach eine zweite daneben gehängt. Genau so ist die Reihe „Die Leute nebenan“ entstanden. Mein Arbeiten folgte bei „Die Leuten nebenan“ nach strengen, von mir selbst aufgelegten Regeln. Ich habe die Bilder in der Zeit von 24:00 bis 04:00 gemalt. Es gab keine Vorzeichnungen und ich habe mit einer extrem grellen Farbpalette gemalt, die mir bis zu dem Zeitpunkt so fremd war, wie sonst nur was.

„Die Leute nebenan“ sind tatsächlich Schnellportraits einiger Menschen um mich herum. Die größte Kunst für mich bei der Arbeit war, zu vergessen, dass ich malen kann. Es sind Bilder ohne Denken geworden. Im nächsten Schritt habe ich mir mit Tafellack beschichteten MDF-Platten einen Maluntergrund gemacht, der mit Acrylfarben und nur mit Fingern schwer zu bemalen war. Die Menschen, denen ich diese neuen Arbeiten gezeigt habe, konnten zunächst nicht wirklich viel damit anfangen, kannten sie meine alten Arbeiten und damit die Geschichte, die diesen Neuanfang notwendig gemacht hatte nicht.

Im Winter malte ich dann die Reihe „Grüne Bäume“. Bei einem Parkspaziergang war mir aufgefallen, dass die Bäume in der Sonne grün leuchteten obwohl nicht ein einziges Blatt an ihnen zu finden war. Ich „portraitierte“ also 9 von den Bäumen als großformatige Aquarelle (Papier auf Dibond). Das geschah allerdings formal schon deutlich kontrollierter als bei „Die Leute nebenan“. Jeweils 3 Bäume waren im gleichen Anschnitt gemalt. Nachdem die Bilder fertig waren, hatte ich zumindest einen ersten Beweis meiner malerischen Grundausbildung gebracht, jedoch waren die Motive völlig sinnbefreit. Also setzte ich kurzerhand Graffities darauf, die von Tieren hätten stammen können. Das war der Punkt, an dem das Malen wieder Sinn bekam und bei dem ich mich endgültig von meinem sehr ernsthaften Anspruch aus den frühen 90er zu einer inhaltlichen Leichtigkeit durchgerungen habe, die in der Bildreihe „Die Leute nebenan“ schon zu spüren war.

In 3 dieser Bilder der Baumserie steckte das Thema für weitere 2 Jahre. Unter den auf die Bäume gesprayten Tags und Spontisprüchen befand sich auch ein Charakter ohne Botschaft aber mit eigenartigen Merkmalen: 3 Pupillen, davon 2 allein in einer Augenhöhle. An diesem Charakter habe ich mich dann in den folgenden Jahren abgearbeitet. Aus ihnen sind die Biklopen geworden. Sticker, wie man sie heute überall im städtischen Umfeld findet. Anders, als in der urbanen Realität war in meinen Motiven das Umfeld immer bereinigt. Es gibt keine anderen Tags oder Sticker um den Biklopen herum.

Haben sich die ersten 50 Biklopen allgemeinen Themen des Lebens gewidmet und waren die Sprüche noch von Leichtigkeit und Absurdität gekennzeichnet, bin ich bei den Nummern 51 – 100 monothematischer und auch sozialkritischer unterwegs gewesen. Diese Veränderung zum Ernsthaften hat dann bei den letzten 10 Biklopen auch zu einem stilistischen Wechsel zur Malerei und zu einem Formatsprung auf 3 x 2 Meter geführt.

Diese letzten 10 Charaktere sind an Ernsthaftigkeit kaum zu überbieten, illustrieren sie doch den letzten Augenblick unterschiedlich motivierter Selbstmordattentäter. Dabei habe ich gar nicht erst das Ziel verfolgt, echte Ereignisse zu malen – was aus meiner Sicht eine taktlose Ausbeutung tragischer Ereignisse bedeutet hätte. Ich wollte ein Bild der Stimmung erzeugen, in denen sich solche Menschen zum Zeitpunkt ihrer Tat befinden. Und im Gegensatz zu den ersten 100 Biklopen den Betrachter in eine Konfrontation bringen, der er nicht mehr ausweichen kann, oder in der seine Reaktion keine Rolle mehr spielt. Bei den ersten beiden Reihen wurden immer Reaktionen provoziert – sei es nur Zustimmung oder Ablehnung. Das ist bei den letzten 10 definitiv nicht mehr möglich. Und um gleich falschen Interpretationen vorzugreifen: Ich hege keinesfalls Sympathien mit solchen Menschen oder Verständnis, sondern versuche lediglich deren gleichermaßen barbarisches und in jeder Beziehung irrationale Treiben in Bildern zu fassen.

Rein formal entstehen diese Bilder komplett anders herum, als die ersten beiden Reihen, bei denen ich die Charaktere erst gezeichnet und dann als Fotomontagen zusammengesetzt habe. Bei den Nummern 101 – 110 sind die Fotomontagen die Vorlagen und dienen mir als Anhaltspunkt für den Charakter und Elemente aus der Montage als Vorlage für Farbgebung und Komposition. Diese letzten 10 wutschnaubenden Biklopen haben wieder 3 Pupillen. Die dritte Pupille hilft, um das irrationale, das unberechenbare in einem irren Gesichtsausdruck festzuhalten.

Freunde, die die Gelegenheit hatten, die ersten beiden Bilder der letzten Reihe zu sehen, werteten sie malerisch als deutliche Weiterentwicklung. Weil ich mit den Bildern „Seuchen“ schon sehr ähnlich gearbeitet habe, ist für mich das Format von 3 x 2 Meter die größte Veränderung.

Die letzten Biklopen werden mich noch etwas beschäftigen. Was danach kommt weiß ich noch nicht, bin aber sicher, dass es spätestens im letzten Bild einen Impuls für die Weiterarbeit gibt.